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Ein 5-Sterne Hotel im Elbsee

Dies ist die spannende Geschichte eines Luxusresorts mit seinen Gästen gelegen mitten im Elbsee. Das Hotel liegt in ca. 10m Tiefe auf einem Sandhügel ein gutes Stück draußen im See. Die Aussicht ist spektakulär. Nichts trübt den unverbauten Rundumblick. Es gibt nichts außer der Natur und der Stille. Besucher werden schon von Weitem gesehen. Es mag ein wenig einsam sein, weil es ringsherum außer Sand und Wasser eigentlich nichts gibt, vielleicht ein wenig wie auf einer Insel auf den Malediven. Aber genau diese Ruhe sucht ja so mancher Erhholungssuchende.

Auf Grund der exponierten Lage ist die Versorgung nicht so einfach. Wasser ist natürlich vor der Haustüre, aber Nahrung ist wirklich schwierig zu beschaffen. Jetzt mag sich so mancher fragen, wer in so einem Hotel wohl Urlaub machen mag. Oder es gibt eine viel näher liegende Frage: von was für einem Schwachsinn ist hier eigentlich die Rede?

Flossen2.jpg

Vor vielleicht 3 Jahren, ich weiß es nicht so genau, habe ich beim Tauchen auf dem besagten Hügel ein Paar blauer Flossen entdeckt. Die hat irgendein Taucher irgendwann, ich weiß nicht warum, dort in den Sand gestellt. Ich habe sie mir damals nicht genauer angesehen und sie beim Tauchen nur registriert. Kurz danach wollte ich sie noch einmal finden. Da ich keine exakten Kompassdaten hatte, war es ein ziemliches Suchspiel von mehreren Tauchgängen. Inzwischen finde ich dieses Flossenpaar relativ sicher, da ich mit Hilfe von Kompass und natürlicher Orientierung meist zu dem besagten Hügel finde.

Eigentlich auch per Zufall habe ich dann angefangen regelmäßig mit meiner Tauchlampe in die Flossen hinein zu leuchten. Einmal saß ein großer Krebs in den Flossen. Da kamen mir die ersten Fragen. Was macht ein Krebs in einer Flosse? Wie kommt er da hinein und wieder heraus? In unmittelbarer Nähe sind weder Pflanzen oder Steine um sich zu verstecken. Wovon ernährt sich der Krebs hier? Bei einem nächsten Tauchgang habe ich natürlich nachgesehen, ob der Krebs noch da ist. Irgendwann war er dann nicht mehr da. Offensichtlich konnte er aus der senkrecht nach oben zeigenden Öffnung heraus schwimmen. Eine wirkliche Leistung!

Das hat dann natürlich dazu geführt, dass ich ab und zu recht planlos und unregelmäßig die Flossen aufgesucht habe und abgeleuchtet habe. Dabei entdeckte ich dann zunehmend spannende Dinge. Auch eine große Limnea, eine Spitzschlammschnecke war einmal auf den Flossen zu finden. Dann fand mein inzwischen durch die Submers-Gruppe geschärftes Auge eine Gruppe von Köcherfliegenlarven. Die Schnecke war natürlich wieder, wohin auch immer, verschwunden. Ungefähr zu dem Zeitpunkt habe ich dann angefangen meine Gedanken im Nachbriefing mit meinem Buddie zu teilen. Ab da gab es eigentlich ein gemeinsames Interesse. Auch mein Buddie wollte die blauen Flossen genauer beobachten.

Bei einem der nächsten Tauchgänge entdeckten wir bei sehr genauem Hinsehen mehrere sich bewegende wurmartige Tiere auf den Flossen. Sie hatten am Körperende und –anfang eine Verdickung. Nach der Suche in Bestimmungsbüchern fanden wir heraus, dass es sich um Fischegel handeln müsse. Inzwischen habe ich mehr Fragen als Antworten. Was machen die Fischegel dort? Einen Fisch habe ich in der Nähe der Flossen nie gesehen. Wie wollen die Fischegel dort Nahrung finden? Sind die Fischegel so gute Schwimmer um nach so weit draußen zu gelangen? Oder kamen sie doch mit einem Fisch, ihrem Wirt hier vorbei?

Wir haben dann angefangen, regelmäßiger Fotos zu machen. Die Flossen sind zunehmend von einem Substrat überzogen, wahrscheinlich einem Schwamm, einem Dauergast. Ich weiß natürlich nicht, wann der Schwamm angefangen hat sich zu entwickeln. Vielleicht schon vor 3 Jahren, als mein Auge für die Kleinigkeiten in der Unterwasserwelt noch nicht so trainiert war. Ein weiterer Dauergast auf den Flossen sind kleine Zebramuscheln, die in der exponierten Lage der Flossen das Wasser auf Nahrungssuche schön filtrieren können. Auch die ganzjährig im See zu findenden Asseln wandern in Gruppen gerne auf den Flossen herum und finden offensichtlich mit zunehmendem Bewuchs auch ständig etwas Nahrung. Sie gehören zu den immer wieder kehrenden Stammgästen der Flossen. Bei der Auswertung der Fotos zu Hause haben wir dann noch Eier auf den Flossen gefunden. Andreas, der uns zur Seite stehende Biologe, konnte meine Neugier etwas befriedigen. Es waren vermutlich Eier von einem Wurm, vielleicht einem Egel oder einem Strudelwurm. Beinahe hätte ich jetzt die winzig kleinen Polypen vergessen zu erwähnen, die ihre langen Tentakel in die Strömung ausstrecken, um vorbeischwimmende Beute mit ihren Nesselkapseln zu lähmen und zu verschlingen.

Hier endet im Moment meine Geschichte der blauen Flossen.

Aber eigentlich ist das erst mein Anfang. Meine Neugier ist zur Zeit sehr groß und mir fallen viele Zusammenhänge ein, die ich gerne genauer ergründen würde. Welche Kleintiere wandern wann wohin? Wann ist wer in welcher Tiefe? Würde z.B. ein Wurm oder eine Muschel bestimmte Materialien bevorzugt besiedeln? Wie sieht es mit Farben aus?

Mein so genanntes 5-Sterne-Hotel ist natürlich in keiner Weise so einzigartig, wie ich hier behauptet habe. Es gibt Bojenseile oder -ketten, Holzstämme, Flaschen, Steinkübel, ein Sofa und eine Übungsplattform. Alle sind in verschiedenen Tiefen und alle sind besiedelt von zahlreichen Kleintieren. Es würde sich sicher lohnen strukturierte Beobachtungen von einzelnen Punkten unter Wasser durchzuführen und nicht so zufällige wie die, die ich in diesem Jahr gemacht habe.

Was ich im nächsten Jahr so unter Wasser bevorzugt treiben werde, ist nun wahrscheinlich jedem klar. Das sind meine Pläne.

Viele Mitglieder der Submersgruppe haben aber eigene und ganz andere Ideen oder Interessen oder vielleicht keine Ideen. Das Schöne ist über die Ideen zu diskutieren, einen neuen Tauchpartner zu finden und an dem einen oder anderen Projekt je nach Lust und Laune mitzuarbeiten.

Wir freuen uns über jeden, der mit uns forschen möchte und auf der Suche nach Antworten ist. Genau so schön ist es, eure Beobachtungen zu erfahren, auch wenn ihr nicht an den Treffen der Submers-Gruppe teilnehmen möchtet. Für jedes interessante Unterwasserfoto sind wir dankbar.

Ziel ist „Tauchen“ und unser Ökosystem Elbsee ein wenig weiter aufzuschlüsseln.

Und wer mir jetzt erzählen möchte, dass es in einem heimischen Baggersee ja eh nur 2 Sorten Fische gibt und schlechte Sicht und Kälte, dem werde ich sicherlich nicht antworten wollen.

Gudrun



Die folgenden Bilder zeigen Detailaufnahmen der wechselnden Besucher der blauen Flossen. Sie wurden aufgenommen in den Monaten zwischen August und Oktober.Unsere Beobachtungen der blauen Flossen haben schon vorher begonnen, waren aber eher zufällige und keine gezielten Beobachtungen.

Ein in der Strömung stehender Fischegel
In der linken unteren Ecke eine Zebramuschel
Noch einmal Schwämme, mehrere Wasserasseln und der zusammengerollte Egel auf der Köcherfliegenlarve, in der Mitte die Eier
Zahlreiche Köcherfliegenlarven am oberen Rand der Flosse
Am linken Rand viele Polypen, der Fischegel und die Eier
rechts Schwämme,oben eine große Wasserassel,in der Mitte schwarze Eier, links ein Fischegel auf einer Köcherfliegenlarve und an der linken Außenseite unscharf zahlreiche Polypen



Einige Wochen nachdem der Krebs die Flossen verlassen hat, fanden wir in der Nähe der Flossen mehrere Höhlengänge und ca. 5 Krebse im Sand. Offensichtlich hat der Krebs sein Quartier gewechselt.

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Diese Seite wurde zuletzt am 18. Januar 2011 um 20:20 Uhr geändert.Diese Seite wurde bisher 7.691-mal abgerufen.